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Vata und Mutta

Für meinen Vater war mit 14 Jahren Schluß mit der Schule: die Bäckerlehre begann Ostern 1942. Es war eine schwere Arbeit und der Lehrherr hatte eine locker sitzende Hand. Aber Vater konnte ab und zu ein Stück Brot mit nach Hause nehmen. Die Gesellenprüfung wurde vorgezogen und er zog mit anderen Jungen aus dem kleinen Dorf am Rhein nordwärts, die Remagener Brücke zu verteidigen. Der Landsturmmann, der sie anführte, schickte die Kinder kurz vorm Ziel zurück "Seht zu, dass ihr so unauffällig wie möglich nach Hause kommt und versteckt Euch, bis es vorbei ist!"
Nach dem Krieg suchte Vater sich einen Bäcker, für den er gerne arbeitete, sparte Geld für die Meisterschule. Er arbeitete zwei Jahre in Luxemburg, lernte dazu, wurde Bäckermeister. Auf der Konditorschule in Stuttgart bereitete es sich auf den Konditormeister vor und lernte Freunde kennen, mit denen er Ausflüge an den Wolfgangsee, zum Skifahren und in die Berge machte. Vater sang gerne, tanzte gerne, hatte ein Auge für Schönes - dem schönen Geschlecht gegenüber war er allerdings schüchtern. DAS und das Katholischsein verband ihn mit meiner Mutter und so lernten die Beiden sich über eine Anzeige im Kirchenblättchen kennen.
Beide glaubten an das Gute im Menschen, wünschten sich eine Familie und hatten ein Grundgerüst aus Pflichtbewusstsein.
Mutter hätte gerne Krankenpflege gelernt, aber nach dem Krieg gab es für sie nur ein Jahr Haushaltsschule. Der Mittelpunkt ihrer Welt war die Familie und die sie umgebende Kleinstadt. Vater lernte auch das schnell, paßte sich an, ging in die Fabrik und arbeitete sich da wieder bis ins Büro hoch. Mutter lachte eigentlich gerne, aber kam zu selten dazu. Irgendetwas mußte immer gemacht werden: die Kinder versorgt, Essen gekocht, Wäsche gewaschen, geputzt, ein Haus gebaut, der Garten versorgt, geerntet, eingekocht, die kranken Eltern gepflegt und in den Tod begleitet werden.
Als meine Eltern sich zum ersten Mal ohne Verpflichtung fühlten, waren sie über 70. Sie schafften es noch, eine kleine Stadtwohnung miteinander zu gestalten und es sich einige wenige Jahre gutgehen zu lassen.
Meine Eltern schenkten mir das Grundvertrauen ins Leben, Pflichtbewußtsein und Hilfsbereitschaft, die Freude am Schönen und das Lachen!

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