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Zweieinhalb Minuten Glück

 

Frau Erna lebt seit einiger Zeit im Altenheim. Auf ihre Lebenszeit umgerechnet ist das nur ein Fitzelchen, aber es ist jetzt so, wie es ist. Mit der langsam, aber stetig fortschreitenden Demenz geht eine große Angst einher. Meistens setzt sie viel Kraft daran, ihr Bild von sich aufrecht zu erhalten. Einmal die Woche gehen wir beiden zusammen spazieren. Sie erzählt dann von vielen traurigen Sachen, von Verlorenem und Weggebrochenem, aber auch von manchem Schönen. Und dann wieder von vorn und wieder. Gestern setzten wir uns nach unserer Runde in den schattigen Garten hinters Haus. Die Geschichten verebbten etwas und wir blickten beide in den großen Ahornbaum über uns. Die Sonne lugte hinter einer Wolke hervor, Frau Erna seufzte zufrieden, ich darauf: „Schön, nee!?“ „Ja“, antwortete sie, „schön ist es, auf der Welt zu sein. – Gibt es da nicht so ein Lied?“ Ich suchte singend nach Text, sie summte. Auf dem Smartphone war der alte Roy-Black-Schlager schnell gefunden und wir knödelten schief und laut mit. Zweieinhalb Minuten keinerlei Ängste, nur Glück!

 

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Kommentare: 1
  • #1

    MM (Sonntag, 06 September 2020 17:47)

    Zweieinhalb Minuten können richtig schön lang sein! Frau Erna hat es gut mit ihrer Begleitung getroffen. �